Ich bin seit dem iPad 2, also seit rund 13 Jahren - mit Ausnahme von zwei oder drei Monaten, in denen ich es ohne probiert habe - iPad-Nutzer. Eine Frage begleitet mich seitdem: Ist das iPad inzwischen soweit, dass man es als einzigen Computer für seinen täglichen Gebrauch nutzen kann? Immer mal wieder habe ich es probiert, nur um dabei immer darauf zu kommen, dass ein iPad alleine für mich nicht ausreicht. Über die ruhigen Tage habe ich es erneut ausprobiert und mein Fazit fällt … anders, aber ähnlich, aus.

Nutzungsszenario

Bauen vorab erst einmal die Messlatte auf. Ich bin ein durchaus technikaffiner Nutzer, dessen alltägliche IT-Nutzung allerdings recht gewöhnlich aussieht:

  • Recherche und Shopping im Internet.
  • Musik hören über Apple Music.
  • Entertainment über die üblichen Verdächtigen, also Netflix, Twitch und co.
  • Regulärer Office-Kram, ohne auch nur ansatzweise Features auszureizen.

Soweit, so normal. Allerdings bin ich passionierter ITler, was eben auch ein paar Nutzungsfälle mit sich bringt, die reguläre Nutzer eher nicht haben:

  • Programmieren in verschiedenen Sprachen.
  • Docker-Container für diverse Aufgaben nutzen.
  • Ab und an auch mal eine vollständige virtuelle Maschine laufen lassen.

An der Stelle hätte man schon sagen können: Vergiss es, die Anforderungen kann das iPad nicht alle erfüllen. Und ja, das stimmt auch - Docker und VMs gibt es auf dem iPad schlichtweg nicht. Programmieren ist auch so eine Sache.

Da ich für meine speziellen Fälle einen Linux-Host habe, habe ich diese einfach aus dem Test ausgeklammert. Mein iPad - ein 11"-Modell mit M1-Chip und 256 GB Speicher - sollte also nur die üblichen Anwendungsfälle abdecken, während die spezielleren per RDP auf dem Linux-Host erledigt werden sollten.

Testzeitraum

Die Idee, den iPad only-Test erneut zu wagen, kam mir spontan über Weihnachten. Mit ein paar ruhigen Tagen, an denen es nicht schlimm ist, wenn was nicht funktioniert, im Blick, hat der Test vom 22. bis zum 29. Dezember 2024 stattgefunden. Ich schreibe diesen Rückblick gerade am letzten Tag auf der iPad-Tastatur.

The good, …

Was mir zu Beginn ein wenig Sorge bereitet hat, hat sich am Ende als Segen herausgestellt (wenn auch nicht ohne Einschränkungen): Das iPad kann zwar Multitasking, aber in sehr eingeschränkter Form. Wenn man ehrlich ist, dann ist es eigentlich auf Single-Tasking ausgelegt. Bei mir hat das die Befürchtung aufkommen lassen, dass ich in meiner üblichen Art zu arbeiten - einige Fenster, die verschiedene Informationen halten - zu eingeschränkt sein werde. Es hat sich aber gezeigt, dass gerade die Reduktion auf sehr wenige parallele Fenster / Aufgaben insgesamt zu einem besseren Fokus führt, wa sich als sehr angenehm empfunden habe. Die Versuchung, vieles parallel zu machen, fällt einfach weg, da das Gerät es schlichtweg nicht kann.

Das nächste, was mir sehr positiv aufgefallen ist (zugegebenermaßen war das keine neue Erkenntnis), ist die Portabilität des iPads. Klar, 11" ist nicht groß und lässt sich leicht transportieren. Mit dem Magic Keyboard hat es zwar etwas Gewicht, aber das - Wortwitz - fällt für micht nicht ins Gewicht. Das iPad ist trotzdem locker mit einer Hand zu transportieren und passt für längere Strecken in jeden handelsüblichen Rucksack, der den Namen auch nur ansatzweise verdient. Das iPad ist auf jeden Fall deutlich leichter zu transportieren, als mein Gaming-Laptop.

Flexibilität ist eine der großen Stärken des iPads (auch nichts neues). Spätestens seit dem ersten Keyboard- und Mouse-Support hat man drei Geräte in einem: Nur das iPad ergibt ein Tablet, gepaart mit einem Stift ist es zusätzlich noch ein Stück digitales Papier und mit Tastatur und Maus wird eine Art Laptop daraus. Von einem Surface o.ä. kann man ähnliches behaupten, aber wer beides einmal miteinander verglichen hat, der weiß, dass die User Experience mit dem iPad um Längen besser ist. Persönlich nutze ich das iPad meist mit dem Magic Keyboard, also als Laptop. Je nach Situation kommt es aber vor, dass ich es ohne Keyboard in die Hand nehme und lese oder schreibe.

Über die Performance braucht man auch nicht viel zu sagen. Ich reize den M1 mit meiner Nutzung in keinster Weise aus. Das iPad reagiert sehr flott, alles läuft butterweich und generell fehlt es mir an keiner Ecke auch nur entfernt an Leistung. Ganz der Apple-Philosophie folgend “tut es einfach,” ohne für Missmut zu sorgen.

Was für mich ebenfalls ein Gamechanger war und nach wie vor ist: Thunderbolt. Denn damit kann ich das iPad, so wie auch meinen Laptop, einfach an mein Thunderbolt-Dock anschließen und darüber meine gesammelte Peripherie nutzen. Allen voran den Monitor, der am M1-iPad als zweites Display angesprochen wird. So werden aus kleinen 11" Bildschirmplatz in meinem Fall plötzlich 11" + 27". Plus ein vernünftiges Audio-Output samt ordentlich positionierter Webcam und Tastatur und Maus und so weiter. Der Support für externe Peripherie ist inzwischen auch auf einem Stand angekommen, den ich als gut einstufe.

… the bad …

In einigen Situationen habe ich das iPad stark für Multi-Tasking genutzt, sprich: Zwei Fenster auf dem iPad selber plus vier auf der aktiven Stage auf dem externen Display. Das geht, aber man merkt dann doch, dass der RAM knapp wird. Vor allem daran, dass beim Wechselns von Fenstern oder gar Stages der Window State nachgeladen werden muss oder gar - je nach App - komplett weg ist. Gerade im Fall Remote Desktop eine sehr nervige Angelegenheit.

Auf was ich ebenfalls gestoßen bin, sind komische Effekte beim Kopieren von Text zwischen zwei Anwendungen. So habe ich z.B. mit der Blink-App einen Server neu aufgesetzt, mit Hilfe einer Anleitung, die ich in der Notizen-App hatte. Heißt: Text aus den Notizen kopieren und in Blink einsetzen. Hierbei kam es meistens vor, dass in Blink weitere Zeichen hinzugefügt wurden. Zum Beispiel wurde aus apt update ein ~[200apt update~. Warum? Keine Ahnung. Nervig? Ja, sehr.

In manchen Situationen kam mir eine Eigenheit des iPads in die Quere: Es spielt nur eine Soundquelle ab. Kommt eine andere App in den Vordergrund, welche die Audioausgabe beansprucht, wird die laufende Audioausgabe unterbrochen. Leider beansprucht mein RDP-Client auf dem iPad, Jump Desktop, die Audioausgabe - was für mich heißt, dass ich keine Musik hören kann, während ich in einer Remote Session bin.

… and the ugly.

Das größte Manko in meiner Testwoche war die Anbindung an mein Dock und meiner Peripherie per Thunderbolt. Ja, oben habe ich geschrieben, dass Thunderbolt am iPad super ist und gut funktioniert. Tut es auch - nur halt nicht immer.

  • Manchmal kommt überhaupt keine Datenverbindung zwischen iPad und Dock zustanden - geladen wird das iPad indes. Der Zustand lässt sich relativ einfach beheben, indem man das Kabel zieht und nochmal steckt. Kann allerdings sein, dass man das mehrfach tun muss.
  • Selten kommt eine Verbindung zustande, bei der bspw. das über das Dock angebundene Audio Interface funktioniert. Aber der Monitor zeigt kein Bild. Lustigerweise kann man den Mauszeiger auf das zweite Display bewegen, es taucht auch in den Einstellungen auf. Es fehlt einfach nur ein Bild. Lösung: Kabel neu stecken, evtl. mehrfach.
  • Selten bricht die Verbindung zum Dock im laufenden Betrieb komplett ab. Auch hier gilt: Kabel neu stecken, evtl. mehrfach.

Alle diese Fälle haben eins gemeinsam: Sie gehen mir gehörig auf den Sack. Ich kann das auch nicht schöner ausdrücken. Es ist einfach so, dass hier einer der größten Pluspunkte im Sinne eines iPad only-Setups - die Flexibilität, das Gerät sowohl mobil, als auch stationär sinnvoll zu nutzen - an Problemen scheitert, die mir unerklärlich sind. Ein Gerät, auf das ich mich verlasse, muss auch am Dock sauber funktionieren. Und genau das tut das iPad nicht. Das kann an meinem Setup liegen, aber im Vergleich zu MacBook Pro oder auch Windows-Laptop - die beide stabil am Dock funktionieren - ist die Anbindung des iPads einfach als Glücksspiel zu definieren.

Fazit

Kann das iPad für mich, Stand Ende 2024, der einzige Computer sein, den ich für meine alltägliche IT-Nutzung brauche? Nein.

So sehr ich das Gerät an sich mag, so sehr ich den Fokus bei der Arbeit mit dem iPad mag, so sehr ich anerkenne, wie weit das iPad gekommen ist: Die nervigen Eigenheiten und vor allem das Versagen in (m)einem Desktop-Setup sorgen dafür, dass ich nicht einzig und alleine mit dem iPad arbeiten möchte. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass bis zu meinem nächsten Test die Ungereimtheiten beseitigt werden und das iPad final da ankommt, wo es meiner Meinung nach hingehört. Denn an sich hat es das Potenzial, für eine große Masse an Leuten das eine Gerät zu sein, was sie brauchen.

Für mich wird mein iPad weiterhin eine Ergänzung sein. Ein Gerät für den Medienkonsum, ein Gerät für leichte Arbeiten. Alles andere, das heavy lifting, muss bis auf Weiteres jedoch ein richtiger Laptop übernehmen.

(Geschrieben am iPad via SSH auf meinem Linux-Host. Weißte Bescheid!)